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Balkonkraftwerke sind gefragt. Bisher gibt es bei ihm und seinen Kollegen keine Beschwerden darüber, sagt Energieberater Wilhelm von Elling von der Verbraucherzentrale Stade. Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Sieben Fragen an den Energieberater

29. Juni 2023

Die Pläne zur Heizwende sorgen für Riesen-Nachfrage bei Wilhelm von Elling und seinen Kollegen von der Verbraucherzentrale

Landkreis. Das neue Heizgesetz sorgt in der Politik für Streit und bei Energieberatern für eine Riesen-Nachfrage. Einer von ihnen ist Wilhelm von Elling von der Verbraucherzentrale Stade. Er weiß, was Bürger brennend interessiert. Hier beantwortet er die sieben Top-Fragen. Der heutige Vorsitzende Frank Bünte gilt in der Region als Ideengeber. Er nahm die entscheidenden Impulse bei einer Messe in Dänemark mit. Doch was sind die Impulse, die die Klimawerkstatt geben will?

Ein Termin mit Wilhelm von Elling ist zurzeit ungefähr so leicht zu bekommen wie eine Audienz beim Papst. Noch muss das umstrittene Heizungsgesetz Bundestag und Bundesrat passieren. Doch die Ankündigung, dass den Öl- und Gasheizungen in Deutschland in absehbarer Zeit das letzte Stündlein schlagen wird, schlägt jetzt schon hohe Wellen. „Wir haben 150 Energieberater für Niedersachsen, könnten aber doppelt so viele einstellen“, sagt von Elling.

Der große Vorteil der Verbraucherzentrale: Ihr Beratungsangebot ist unabhängig. Elling und seine Kollegen Holger Glaus und Werner Neumann arbeiten mit der Klimawerkstatt im Landkreis Stade zusammen und bieten in diesem Rahmen beispielsweise einen kostenlosen Eignungs-Check Heizung vor Ort im Gebäude an. Wer das möchte, muss sich allerdings online anmelden und ein wenig Geduld mitbringen (siehe Info-Kasten). Vorab sollte in jedem Fall eine Online-, Videooder Telefonberatung stattfinden.

„Wenn eine Heizung kurz davor steht, ihren Geist aufzugeben oder wenn Schimmel im Haus ist, können wir eine Anfrage auch mal priorisieren“, sagt Wilhelm von Elling. Hier verrät er, welche Fragen zurzeit besonders viele Menschen brennend interessieren – und gibt Antworten darauf.

1. Brauche ich eine neue Heizung?

Handlungsbedarf hat, wer deutlich mehr als 100 Kilowattstunden Heizenergie pro Quadratmeter und Jahr verbraucht. Das ist bei Häusern, die nach 1995 gebaut wurden, in der Regel aber nicht der Fall. Die Pflicht zum Umstieg ab dem 1. Januar 2024 gilt nur für den Einbau neuer Heizungen. Bestehende Heizungen können weiter genutzt und kaputte Heizungen repariert werden. Neue Anlagen sind ab 65 Prozent erneuerbarer Energie erlaubt. Welche neue Heizlösung die beste ist, muss individuell betrachtet werden. Jedes Gebäude und jede Situation ist anders. Bevor ein Termin vereinbart wird, sollten die Eckdaten des Verbrauchs pro Quadratmeter aber bekannt sein. Also: Am besten vor dem ersten Anruf beim Energieberater schon einmal die letzte Strom- und Gasrechnung und das letzte Schornsteinfegerprotokoll bereitlegen. Wenn ein Berater nach Hause kommt, nimmt er vor Ort die Heiztechnik in Augenschein. Er klärt die technischen Randbedingungen und Präferenzen und ermittelt, welche Energieanschlüsse und Möglichkeiten zur Brennstofflagerung es gibt. Auf dieser Grundlage wird geprüft, welche Heiztechniken realisierbar wären. Am Ende vergleicht und bewertet der Berater alle infrage kommenden Heiztechniken. Natürlich wird auch die persönliche finanzielle Situation berücksichtigt.

2. Soll ich vor dem Verbot noch eine Gastherme einbauen?

Der Energieberater hat Verständnis dafür, wenn 85-jährige ihm sagen: „Ich bin jetzt alleine und brauche eine Heizung, für die ich mir nicht 20 000 Euro von meiner Altersvorsorge abzwacken muss.“ Zurzeit seien Wärmepumpen extrem stark nachgefragt, und knappes Gut sei teuer. Von Elling sagt aber auch: „Unser aller Ziel sollte sein, möglichst schnell etwas für unser aller Überleben zu tun.“ Wenn Deutschland bis zum Jahr 2045 energetisch fossilfrei sein will, müsse jetzt etwas passieren, weil eine jetzt eingebaute Therme im Schnitt noch 20 Jahre Lebensdauer vor sich hat. Und wer weiß, wie sich die Öl- und Gaspreise in den kommenden Jahren noch entwickeln werden?

3. Kann ich nachträglich dämmen und eine Wärmepumpe einbauen?

Es sind deutlich mehr Gebäude geeignet als ungeeignet für den Einbau einer Wärmepumpe, sagt von Elling. Eine Fußbodenheizung ist nicht notwendig. Vorhandene Heizsysteme können optimiert werden – durch größere Heizkörper oder auch durch eine Klimawand mit eingebauter Wandheizung. Zudem gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten: Erd-Wärmepumpen sind am effizientesten, aber die dafür notwendige Sonde kostet „locker 15 000 Euro mehr“. Je nach Gegebenheiten kann eine Luft-Wärmepumpe oder eine Wasser-Wärmepumpe sinnvoll sein. Der Klimawandel, dessen Auswirkungen jeder beim Deutschen Wetterdienst nachschlagen kann, hat zumindest für das Heizen Vorteile: Lange, harte Kälteperioden werden seltener, sodass eine hohe Heizleistung gar nicht so oft gebraucht wird. Spitzen können mit einem Kamin oder Kachelofen überbrückt werden. Für die langfristige Wirtschaftlichkeitsprognose braucht es immer einen Eignungscheck vor Ort.

4. Lohnt es sich, noch zu warten, bis Wärmepumpen billiger werden?

„Nein. Der Idealzeitpunkt ist eigentlich jetzt“, sagt von Elling. Derzeit winken bis zu 40 Prozent Fördermittel. Seine Erfahrung zeigt: Wenn die Wärmepumpe konkurrenzfähiger wird, senkt der Staat im gleichen Maße die Förderung.

5. Lohnt sich die Kopplung der Wärmepumpe mit einer Photovoltaik-Anlage?

„Im Winter, wenn die Wärmepumpe läuft, ist das Sonnenangebot bei uns ja eher mau“, sagt von Elling. Bei einer großen Dachfläche kann eine Photovoltaik- Anlage 10 000 kWh pro Jahr bringen – aber nur ein kleiner Teil davon ist für die Wärmepumpe nutzbar. Auch hier gilt: Ein- oder Mehrfamilienhaus, gute oder bescheidene Dämmung – die Bilanz fällt je nachdem aus. Auch Solarthermie kann in Frage kommen: Im Sommer sorgt sie für heißes Wasser, im Herbst und Winter können größere Anlagen die Heizung mindestens unterstützen.

6. Kann ich von Solarenergie profitieren?

Zurzeit wollen fast alle gerne Solarstrom haben, sagt der Energieberater. Strom sei die edelste Energieform, weil man damit alles machen kann: Radio oder Kühlschrank betreiben, Kochen, das E-Auto laden. „Günstiger kann ich ja gar nicht tanken“, sagt von Elling. Wegen Lieferkettenproblemen und Mangel an Fachpersonal werden Verbraucher zurzeit oft vertröstet und bekommen Angebote für Photovoltaikanlagen erst für nächstes Jahr. Doch es ruckele sich langsam zurecht, sagt von Elling. Die Modulpreise haben sich stabilisiert. Aufgrund möglicher Preissteigerungen ist es üblich, vertraglich einen zehnprozentigen Spielraum zu vereinbaren. Monetär zahle sich der Umstieg auf erneuerbare Energie kurzfristig in der Regel noch nicht aus. Gespart werde aber etwas anderes, sagt der Verbraucherschützer: „Unmengen an CO2. Das gerät zurzeit oft in Vergessenheit.“

7. Was bringt ein Balkonkraftwerk?

„Ein Balkonkraftwerk kann jeder umsetzen“, sagt von Elling. So eine Mini-Solaranlage, die unter 600 Watt Leistung bleibt, braucht keine Genehmigung und ist schon ab 500 Euro zu haben. Bei einem Strompreis von 35 Cent pro Kilowattstunde, rechnet die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vor, spart der Verbraucher mit so einem Balkonkraftwerk 52,50 Euro jährlich. Wer 500 Euro für seine Anlage bezahlt hat, hat nach einem Jahr also zunächst noch knapp 450 Euro Verlust. Bisher haben die Energieberater in Stade laut Wilhelm von Elling noch überhaupt keine Beschwerden über Balkonkraftwerke bekommen. Der Bausatz wird schlüsselfertig geliefert, der Strom verbraucht. Um das Ganze zu entbürokratisieren, geht der Überschuss ins Netz und wird nicht bezahlt. Aber: „Jede Kilowattstunde dieses dezentralen Stroms spart CO2 und entlastet die Netze.“

Autor: von Anping Richter / TAGEBLATT

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